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So interessant können Übersetzungslösungen sein

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Warum Like-Blog? Nun, zum einen ist dieser Blog ein Blog, den Sie mögen (und regelmäßig lesen) sollten – zumindest dann, wenn Sie sich für Übersetzungen interessieren. Zum anderen ist das hier behandelte Thema eines, in dem die sinnstiftende Ähnlichkeit zwischen einem Text und seiner Übersetzung im Sprachenpaar Englisch-Deutsch eine zentrale Rolle spielt. Auf dieser Seite diskutiere ich einige interessante Übersetzungslösungen, die mir im Laufe meiner Tätigkeit als Übersetzer und Übersetzungswissenschaftler über den Weg gelaufen sind.

Eine Übersetzungslösung ist immer nur so gut wie die sie stützenden Argumente. Wer also positive oder negative Übersetzungskritik übt, muss diese auch begründen. Wie gut eine Übersetzungslösung ist, erweist sich erst in Relation zu anderen möglichen Übersetzungslösungen in einer gegebenen Übersetzungssituation. Daher sollte ein Übersetzungskritiker oder eine Übersetzungskritikerin nicht nur sagen, warum eine Übersetzungslösung schlecht ist, sondern auch aufzeigen, wie eine bessere Lösung aussehen könnte. Diese Grundsätze der Übersetzungskritik werde ich versuchen zu beherzigen. Das bedeutet auch: Wenn Sie Fragen zu meiner Argumentation haben oder anderer Meinung sind, lassen Sie es mich gerne wissen unter 04171 6086525 oder per E-Mail an bittner@businessenglish-hamburg.de. Doch nun genug der einleitenden Worte. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Ein falscher Freund? (November 2024)

In David van Biemas Artikel „Can Megachurches Bridge the Racial Divide?“ (times.com, 11. Januar 2010) ist zu lesen: „Most regarded racial inequality as either illusory or the wages of personal sin, rather than as a societal flaw.“

Auf Deutsch: „Die meisten sahen Ungleichheit aufgrund von Herkunft oder Hautfarbe eher als illusorisch oder als Strafe für persönliche Sünden an, als dass es eine gesellschaftliche Verfehlung sei.“

Hier gibt es einige Punkte, die erwähnenswert sind. Beginnen wir mit einer kreativen und zugleich gelungenen Übersetzungslösung. Der Nominalausdruck „racial inequality“ darf natürlich nicht wörtlich mit „Rassenungleichheit“ übersetzt werden, da das Wort „Rasse“ im Deutschen nicht nur nationalsozialistisch vorbelastet ist, sondern in Bezug auf Menschen jeglicher biologischer Sinnhaftigkeit entbehrt. Die im Zieltext verwendete Lösung ist daher optimal.

Problematisch ist jedoch die Übersetzung von „illusory“ mit „illusorisch“. Nicht, dass dies ein typischer falscher Freund wäre – im Gegenteil: Sowohl das deutsche als auch das englische Adjektiv beziehen sich in erster Linie auf etwas, das zu erreichen zwar angestrebt wird, aber letztendlich nicht erreicht werden kann. Neben dem implizierten Hinweis auf eine Täuschung, der im Englischen genauso greift, kann im Deutschen auch eine gewisse Vergeblichkeit oder Zwecklosigkeit mitschwingen. Zusätzlich zu dieser Bedeutung, mit der sich das Adjektiv auf etwas bezieht, das eine Illusion hervorruft, gibt es im Englischen auch den Bezug auf etwas, das eine Illusion ist. Es geht also um etwas Imaginäres, Unwirkliches. In den gegebenen Übersetzungszusammenhang passt nur diese letztere Bedeutung, da es sich bei der Ungleichheit von Herkunft oder Hautfarbe nicht um etwas Erstrebenswertes handelt.

Syntaktisch inkohärent ist der mit „als dass“ eingeleitete Nebensatz, der zwar semantisch als Gegensatz zu den zuvor mit „eher als“ angebundenen Aspekten erkennbar ist, aber in grammatikalischer Hinsicht zumindest holprig wirkt.

Der letzte Kritikpunkt ist vielleicht etwas spitzfindig, aber gerade deshalb interessant. Es geht um die Übersetzung von „flaw“ mit „Verfehlung“. Während der deutsche Ausdruck ein Handeln impliziert (im Sinne von englisch „wrongdoing“), beschreibt das englische Nomen eher einen Zustand.

Im Lichte dieser Diskussion lässt sich der Ausgangssatz wie folgt übersetzen: Die meisten sahen Ungleichheit aufgrund von Herkunft oder Hautfarbe eher als real nicht existierend oder als Strafe für persönliche Sünden an, denn als einen gesellschaftlichen Makel.