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So interessant können Übersetzungslösungen sein

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Warum Like-Blog? Nun, zum einen ist dieser Blog ein Blog, den Sie mögen (und regelmäßig lesen) sollten – zumindest dann, wenn Sie sich für Übersetzungen interessieren. Zum anderen ist das hier behandelte Thema eines, in dem die sinnstiftende Ähnlichkeit zwischen einem Text und seiner Übersetzung im Sprachenpaar Englisch-Deutsch eine zentrale Rolle spielt. Auf dieser Seite diskutiere ich einige interessante Übersetzungslösungen, die mir im Laufe meiner Tätigkeit als Übersetzer und Übersetzungswissenschaftler über den Weg gelaufen sind.

Eine Übersetzungslösung ist immer nur so gut wie die sie stützenden Argumente. Wer also positive oder negative Übersetzungskritik übt, muss diese auch begründen. Wie gut eine Übersetzungslösung ist, erweist sich erst in Relation zu anderen möglichen Übersetzungslösungen in einer gegebenen Übersetzungssituation. Daher sollte ein Übersetzungskritiker oder eine Übersetzungskritikerin nicht nur sagen, warum eine Übersetzungslösung schlecht ist, sondern auch aufzeigen, wie eine bessere Lösung aussehen könnte. Diese Grundsätze der Übersetzungskritik werde ich versuchen zu beherzigen. Das bedeutet auch: Wenn Sie Fragen zu meiner Argumentation haben oder anderer Meinung sind, lassen Sie es mich gerne wissen unter 04171 6086525 oder per E-Mail an bittner@businessenglish-hamburg.de. Doch nun genug der einleitenden Worte. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen!

Über Biokraftstoffe und Waldzerstörung (Juni 2019)

In „The Clean Energy Scam“ von Michael Grunwald (TIME Magazine vom 27. März 2008) lautet ein Satz: Several of the most widely cited experts on the environmental benefits of biofuels are warning about the environmental costs now that they’ve recognized the deforestation effect. Auf Deutsch wurde er wie folgt wiedergegeben: Mehrere der am häufigsten zitierten Experten zu den Vorteilen von Biokraftstoffen für die Umwelt warnen, jetzt, da sie die Folgen der Waldzerstörung erkannt haben, vor den Umweltkosten. Das mag sich auf den ersten Blick völlig unproblematisch anhören. Auf den zweiten Blick erkennt man jedoch, dass nicht nur der Sinn des Ausgangstextes nicht richtig wiedergegeben wird, sondern der Zieltext selbst nicht besonders sinnvoll formuliert ist.

Das Problem ist die Übersetzung des Ausdrucks „the deforestation effect“. Dieser ließe sich durch eine Nominalphrase mit Genitivattribut umschreiben: „the effect of deforestation“. Der Übersetzungsfehler besteht nun darin, dieses Genitivattribut als einen im Deutschen wie im Englischen sehr geläufigen Genitivus subiectivus aufzufassen, also eine Genitivkonstruktion, bei der der Genitiv die Rolle eines handelnden Subjektes einnimmt: Die Waldzerstörung (deforestation) hat eine Auswirkung (effect). Dass diese Interpretation nicht richtig ist, dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen hakt es bei der Bedeutung im Satzzusammenhang, zum anderen darf der Numerus (die Unterscheidung von Einzahl und Mehrzahl) nicht außer Acht gelassen werden. Doch der Reihe nach: Für den Anbau von Pflanzen, die für die Erzeugung von Biokraftstoffen geeignet sind, werden oft großflächig Wälder abgeholzt. Die Waldzerstörung selbst ist eine Folge des Biokraftstoffbooms. Es geht hier also nicht um die Folgen, die sich aus der Waldzerstörung ergeben. (Die könnten in einem anderen Artikel zur Sprache kommen.) Interessant ist auch, dass, wenn im Ausgangstext Letzteres gemeint wäre, der Autor das zweite Nomen („effect“) eher im Plural verwendet hätte: deforestation effects.

Dem Übersetzer wurde offenbar eine übersetzerische Tugend zum Verhängnis. Er löste sich, wie die Umstände es erfordern, vom Ausgangstext (eine direkte Übersetzung von „deforestation effect“ als „Waldzerstörungsfolge“ oder „Waldzerstörungsauswirkung“ wäre zumindest dem geforderten journalistischen Stil abträglich), übersah dabei jedoch die Wichtigkeit des im Ausgangstext verwendeten Singulars („effect“) und tappte in die oben beschriebene Falle, die eine Umschreibung mit Genitivattribut nahelegt. Eine Korrektur der Übersetzung könnte lauten: Mehrere der am häufigsten zitierten Experten zu den Vorteilen von Biokraftstoffen für die Umwelt warnen, jetzt, da sie erkannt haben, dass Waldzerstörung die Folge ist, vor den Umweltkosten.